Gebäude- und Haus-Check

30.03.2021

Weist ein Haus oder eine Wohnung Mängel auf, leiden die Käufer meist doppelt. Nachträgliche Ausbesserungen kosten viel Geld. Zweitens kann das Wohnen zur Qual werden, etwa wenn es innen feucht und modrig ist. Daher gilt: Zuerst gründlich prüfen, erst dann kaufen.

Jürg Zulliger

Haben Sie schon einmal ein älteres Haus oder eine Eigentumswohnung auf Herz und Nieren geprüft? In der Praxis ist das gar nicht so einfach. Einem Flachdach sieht ein Laie nicht ohne weiteres an, ob es in zwei oder drei Wochen nach dem Kauf von der Decke tropfen wird oder nicht. 

Sich vor bösen Überraschungen schützen

Kommt dazu: Laien respektive private Käufer legen auf ganz andere Dinge wert als Architekten, Bau- oder Schadenexperten. Wichtig sind für die Käufer natürlich das Raumangebot, die verfügbaren Flächen und der erste äusserliche Eindruck. «Nach meiner Erfahrung nehmen es Käufer bei den Böden oder Wandbelägen unglaublich genau», sagt Bauherrenberater Othmar Helbling. Auch das Bad oder die Ausstattung der Küche haben einen hohen Stellenwert. Doch wirklich neuralgische Teile wie etwa die Heizung, das Dach, die Wärmedämmung und die Fassade werden oft kaum genauer unter die Lupe genommen. Bauexperten und Bauherrenberater schätzen, dass rund 80 Prozent der privaten Käufer keinen Architekten oder Bauexperten beiziehen.

Oft sind aber nur geschulte Fachleute in der Lage, äussere Anzeichen von Mängeln richtig zu beurteilen. Fallen irgendwo an einer Wand ein paar geringfügige Risse auf, sind Laien meist am Ende ihres Lateins. Ist das bloss ein kleiner Schönheitsfehler oder ist der Riss statisch bedingt? Sind möglicherweise tragende Mauern mangelhaft? 

Die «Katze im Sack» kaufen?

Auch Rainer Stotz, Architekt und Bauherrenberater bei Immopro in Zürich, hält eine allzu oberflächliche Begutachtung für fragwürdig: «Die meisten Käufer einer Wohnung oder eines Hauses werden nach meiner Erfahrung ohnehin die Küche auswechseln, die Böden erneuern, das Parkett abschleifen und den Maler für neue Anstriche der Wände kommen lassen.» Somit ist es auch nicht ratsam, den Kaufentscheid allzu sehr auf diese oberflächlichen Eigenschaften des Objektes abzustützen. Wenn ein Käufer nicht auch noch einen Blick in die Dachkonstruktion, in den Heizungsraum oder hinter die Mauern wirft, kauft er buchstäblich «die Katze im Sack».

Wer beim Gebäude- bzw. Haus-Check sündigt, wird sich vielleicht auch bei seinem Preisangebot verschätzen. Denn wenn im Nachhinein kostspielige Reparaturen anstehen, war der vereinbarte Preis vielleicht zu hoch angesetzt.

In Relation zur Tragweite kann sich der Beizug eines Bauexperten lohnen. Bauherrenberater rechnen ihre Beratung in der Regel im Stundenaufwand ab. Der Aufwand hängt natürlich vom Objekt und von den Beratungsleistungen ab. Eine Begehung und Besichtigung verursachen in der Regel nicht mehr als ein bis zwei Stunden Aufwand. Je nach dem kommen noch Besprechungen, schriftliche Ergänzungen, ein Bericht zu den Renovationskosten sowie der Anfahrtsweg dazu. 

Haus-Check: Worauf es ankommt

Ein Bauherrenberater oder Bauexperte wird mit geübtem Auge andere Teile des Hauses begutachten. Eine zentrale Frage ist zum Beispiel der Zustand und das Alter der Heizanlage. Sind die Heizung respektive der Ölbrenner schon 20 Jahre oder noch älter, kommen wohl bald grössere Investitionen auf den Käufer zu. Als heikel gelten auch Verfärbungen und schwarze Flecken, die zum Beispiel Anzeichen von Schimmel darstellen können. Experte Rainer Stotz sagt dazu: «Um die Ursache und die Tragweite solcher Mängel richtig einzuschätzen, braucht es aber Fachwissen.» Dazu gehören etwa Grundkenntnisse über Bau- und Konstruktionsweisen, aber auch über Bauphysik.

Wasser gilt als der «grösste Feind» von Gebäuden. Tropft es vom Dach? Könnte die Fassade undicht sein? Riecht es im Keller modrig? Stellen Sie Schimmelpilz oder sonst Anzeichen von Feuchtigkeit fest? Gibt es verfärbte Stellen, welche auf ältere Wasserschäden zurückzuführen sind?

Fassen wir die wichtigsten 10 wichtigsten Punkte beim Haus-Check zusammen:

  • Feuchtigkeit: Nässe und Feuchtigkeit können an ganz unterschiedlichen Stellen auftreten, etwa am Mauerwerk, im Dach oder im Keller. Die Folgen von Nässe im Haus sind oft gravierend und höchst unangenehm. Zu viel Feuchtigkeit und vor allem die Bildung von Schimmelpilz können die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen. Geschulte Fachleute bringen daher zum Haus-Check meist auch technische Messgeräte mit (Feuchtigkeitsmessung in Mauern und anderen Teilen).
  • Nebenkosten und Energieverbrauch: Sind die Fenster und die Wärmedämmung in die Jahre gekommen, benötigt das Gebäude im Betrieb oft unnötig viel Energie. Versuchen Sie, entsprechende Verbrauchszahlen zu bekommen. Oder fragen Sie, ob ein GEAK vorliegt (Gebäudeausweis der Kantone).
  • Alter der Heizung: Die Energie- und Bauvorschriften stellen zusehends höhere Anforderungen. Checken Sie, ob die Heizung bald ersetzt werden muss, und was das kosten wird. Bei einer Erneuerung müssen auch die neuen Vorschriften eingehalten werden!
  • Fenster: Die Fenster haben wesentlichen Anteil am Energieverbrauch und der Behaglichkeit. Prüfen Sie, ob sie schon in die Jahre gekommen oder neueren Datums sind. Gibt es auch hier Anzeichen von Feuchtigkeit oder Kondenswasser? Sind die Anschlüsse an das Mauerwerk und der äussere Anstrich noch in Ordnung? 
  • Dach: Vergewissern Sie sich, ob das Dach in tadellosem Zustand ist. Finden sich in der Konstruktion Anzeichen von Nässe? Stehen Wassereimer herum? Sind Dach- oder Ziegelsteine beschädigt? Ist die Dachuntersicht im Innenraum an einer Stelle verfärbt? Ein Check des Dachs ist aus Sicherheitsgründen heikel und sollte durch eine Fachperson erfolgen. 
  • Fassade und Wärmedämmung: Es gibt zig-verschiedene Varianten von Konstruktionen und Wärmedämmungen. Besonders heikel sind auch hier undichte Stellen, Anzeichen von Feuchtigkeit und dergleichen (teils sichtbar an äusserlichen Verfärbungen). Zum Haus-Check gehört die Frage, ob die Fassade überhaupt ausreichend isoliert ist (genügend Dämmstärke). Heikel wird es, wenn einerseits die Fenster erneuert wurden, während zugleich die Fassade und neuralgischen Stellen noch schlecht isoliert sind (etwa an Gebäudeecken). So steigt innen das Risiko für die Bildung von Schimmelpilz. 
  • Fugen und Abdichtungen: Innen und aussen findet sich meist eine grosse Zahl an Fugen. Prüfen Sie, ob Sie Schäden oder undichte Stellen finden. Fugen sind grundsätzlich unterhaltspflichtig und müssen regelmässig (vor allem an exponierten Stellen!) kontrolliert und erneuert werden.
  • Wasser- und Abwasserleitungen: Je nach Wasserhärte und Material halten diese Systeme oft viele Jahre oder müssen in kürzeren Abständen renoviert werden. Eine regelmässige Spülung verlängert die Lebenszeit ebenfalls. Da diese Leitungen fest in Böden und Wänden verlegt sind, kann eine Sanierung teuer zu stehen kommen. 
  • Dokumente, Pläne: Nicht zu vergessen ist eine möglichst gute Dokumentation. Ein Fachmann wird aufgrund der Pläne viele Fragen zum Zustand und zu den Risiken aufgrund der Pläne beantworten können (etwa wenn Dach- und Fassadenkonstruktion bekannt sind). Ideal ist auch eine genauere Aufstellung über bereits früher durchgeführte Sanierungen.
  • Aussenraum: Schliesslich sind auch Balkone, Loggia, Gartensitzplatz und soweit vorhanden der ganze Aussenraum für den Haus-Check wichtig. Wichtig zu wissen: Wer eine Eigentumswohnung kauft, ist anteilmässig Eigentümer von weiteren Teilen wie Fassade, teils die Fenster, die ganze Aussenanlage, Keller, Treppenhaus, Tiefgarage, Spielplatz etc. Beim Stockwerkeigentum geben auch die Protokolle der letzten Eigentümerversammlungen und die Höhe des Erneuerungsfonds wichtige Anhaltspunkte. Aber auch hier kommt es darauf an: Die Informationen und Zahlen müssen fachlich richtig interpretiert werden. Nur auf dieser Grundlage haben Sie als Käufer die nötige Sicherheit, richtig zu entscheiden.