Hypothek: Wann sich die Abzahlung lohnt

30.03.2021

Mit einer klugen Finanzplanung lässt sich viel Geld sparen. Längerfristig zählt nicht nur der kurzfristig möglichst günstige Zins – wichtig ist auch, sich die Amortisationen der Hypothek gut zu überlegen.

Jürg Zulliger

Als sich Eva und Markus S. (Namen geändert) vor exakt zehn Jahren ein hübsches Eigenheim am Stadtrand leisten konnten, war dies ein grosser Moment in ihrem Leben. Hier sind ihre Kinder aufgewachsen, das Paar pflegt viele Kontakte in der Nachbarschaft und geniesst das Wohnen in vollen Zügen.

Der «Business Plan» mit dem Eigenheim ist auch finanziell aufgegangen: Ganz zu Beginn waren zwar kaum noch Reserven vorhanden. Doch dank tiefer Zinsen und eines guten Einkommens war die Finanzierung gesichert. Eva S. machte kürzlich eine Erbschaft von 80’000 Franken.

Nun steht die Familie vor einer wichtigen Weichenstellung: Wollen Sie mit den freien Mitteln die Hypothek amortisieren? Oder wäre es doch besser, Geld als Reserve zu haben oder bereits erste Renovationen vorzunehmen?

Pflicht-Amortisationen beachten

Es gibt triftige Gründe sowohl für die Variante Hypothek stehen lassen als auch gute Argumente für Amortisationen. Eine wesentliche Bemerkung vorneweg: Amortisation bedeutet ratenweise Tilgung einer Schuld, zum Beispiel mit einer jährlichen, vertraglich vereinbarten Summe. Nach den Standards der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) gilt dabei folgender Grundsatz: Innerhalb von 15 Jahren muss die Hypothek auf zwei Drittel des Belehnungswertes reduziert werden. Dabei zahlen die Bankkunden quartalweise oder jährlich einen fixen Betrag zurück. Das gilt völlig unabhängig davon, für welches Produkt sich der Kunde entscheidet.

Sobald die Hypothek oder ein Teil der Finanzierung an das Laufzeitende kommt, besteht eine Wahlmöglichkeit: Der Kunde kann sich auf die oben erwähnten Pflichtamortisationen beschränken. Oder er hat die Möglichkeit, die Kreditschuld freiwillig darüber hinaus in noch grösserem Mass zurückzuzahlen. So oder so ist es üblich, die Belehnung mit dem Bankkredit im Lauf der Zeit auf 50 bis 60 Prozent zu reduzieren. Fix vorgegeben ist nur:

  • Amortisation auf zwei Drittel bis 15 Jahre nach dem Kauf.
  • Amortisation auf zwei Drittel spätestens bis zur Pensionierung.

Pro-Argumente Amortisation

Unabhängigkeit: Wer Schulden reduziert, macht sich unabhängiger. Mit Amortisationen gehört dem Eigentümer ein grösserer Teil der Liegenschaft selbst. Zugleich beugt ein tieferer Verschuldungsgrad irgendwelchen Problemen vor (komfortableres Finanzpolster, etwa im Fall einer Wirtschaftskrise, bei Arbeitslosigkeit eines Schuldners etc.).

Budget entlasten: Die Rechnung ist einfach – weniger Hypothek bedeutet auch weniger Zinsen. Zudem ist es üblich, dass Bankkunden bei einer Belehnung von nur 50 oder 65 Prozent die besseren Zinsofferten bekommen als bein einer höheren Verschuldung.

Amortisationen: Contra-Argumente

Steuern: Vor allen in guten Einkommensverhältnissen macht der Schuldzinsabzug etwas aus. Sinkt die Hypothek, fallen auch die steuerlich abziehbaren Schuldzinsen.

Liquidität: Wer freiwillig freie Mittel für Rückzahlungen einsetzt, hat logischerweise weniger Geld auf dem Konto. Daher ist die Finanzplanung so wichtig. Die laufenden Kosten fürs Leben und fürs Haus sollten natürlich gedeckt sein. Sinnvoll ist auch immer eine eiserne Reserve für Unvorhergesehenes. Vielleicht kommen plötzlich eine nicht geplante Renovation oder teurere Reparaturen auf den Eigentümer zu.

Indirekt amortisieren

Die Banken machen ihre Kunden gerne darauf aufmerksam, dass sie Hypotheken auch indirekt amortisieren können. Die ist vor allem steuerlich interessant: Mit dieser Variante leistet der Kunde die Amortisationen ganz einfach auf ein Konto der 3. Säule (das Geld ist dann bei der Bank als Sicherheit verpfändet). So bleiben die steuerlich interessanten Schuldzinsabzüge gleich. Die Einzahlungen in die private Vorsorge (Säule 3) sind erst noch steuerprivilegiert. Das Geld wird später für die Amortisation eingesetzt.

Pensionierung: abzahlen oder nicht?

Mit dem Übergang in die Pensionierung geht das Einkommen meist deutlich zurück. Die Renten aus AHV und Pensionskasse werden in den nächsten Jahren kaum noch nach oben tendieren, sondern im Gegenteil wohl eher sinken.

Ob und in welchem Umfang Amortisationen sinnvoll sind, muss in jedem Einzelfall separat betrachtet werden. Wichtig ist es, jederzeit genügend Liquidität zu haben. Pensionierten hilft es zum Beispiel wenig, wenn sie ein ansehnliches Vermögen im Haus gebunden haben. Sie müssen ja auch genügend Einkommen oder Ersparnisse haben, um die laufenden Kosten zu decken. Und oft hat man noch den einen oder anderen Traum, den man verwirklichen möchte! Aus der Praxis ist bekannt, dass im Alter 65+ eine nachträgliche Wiederaufstockung der Hypothek oft nicht mehr möglich ist. Daher gilt: Es ist nicht immer sinnvoll, quasi «auf Vorrat» allzu umfangreiche freiwillige Amortisationen zu leisten. Wenn aber die Finanzen im Lot sind und die Bankschulden ein vernünftiges Mass nicht überschreiten, wird man im Alter kostengünstig wohnen können.

Nicht amortisieren: Der Trick mit der Geldanlage

Ganz zum Schluss ist noch die aktuelle Lage zu bedenken. Anlageprofis und teils auch Bankberater führen öfters ins Feld, dass man frei verfügbare Mittel ja auch gewinnbringend anlegen könnte – anstatt damit die Hypothek zu reduzieren. Solche Aussagen sind aber mit Vorsicht zu geniessen und lassen sich nicht für alle Typen von Kunden verallgemeinern.

Es stimmt zwar, dass ein Kunde ohne freiwillige Amortisationen einen Gewinn erzielen kann:

  • Die Hypothek kostet im Tiefzinsumfeld zum Beispiel nur 0,8 Prozent, hinzu kommt noch der Steuervorteil (abziehbare Schuldzinsen).
  • Auf der anderen Seite lässt sich zum Beispiel mit Aktienanlagen längerfristig ein Gewinn von vielleicht sechs oder sieben Prozent erwirtschaften.

Diese Strategie ist aber immer mit Risiken verbunden. Der Kunde muss sich auch überlegen, ob er der Bank weiterhin Hypothekarzinsen zahlen will, um damit bei den Steuern eine kleine Einsparung erzielen zu können.

Wer nüchtern die Kosten der Hypothek mit den Ertragsaussichten auf einem Bankkonto vergleicht (teils Negativzinsen), kommt zu einem anderen Schluss: Die sicher erzielbaren Zinserträge fallen aktuell wohl tiefer aus als die Zinsen für eine Hypothek.