Was ist vorteilhafter: Nutzniessung oder Wohnrecht?

28.04.2021

Ältere Eigenheimbesitzer überlegen sich oft, ihr Eigenheim schon zu Lebzeiten an ihre Kinder abzutreten. Gleichzeitig möchten sie aber noch so lange wie möglich in den vertrauten vier Wänden wohnen bleiben. Lässt sich das unter einen Hut bringen? Und wie?

Ein häufiger Fall: Die Kinder sind längst ausgeflogen. Das Ehepaar Pulver, Mitte siebzig, lebt aber immer noch im eigenen Haus. Dessen Wunsch wäre es, die Immobilie in der Familie zu behalten und sie den Kindern zu übereignen. Und das noch zu Lebzeiten. Das Ehepaar hofft nämlich, dass der frühzeitige Eigentumsübertrag davor schützt, das Haus zur Finanzierung eines späteren Alters oder Pflegeheimaufenthalts veräussern
zu müssen. Niemand wünscht es sich, aber allzu oft bleibt einem Pflegebedürftigen im Alter nichts anderes übrig, als die gewohnten vier Wände zu verlassen und ins Pflegeheim umzusiedeln. Solche Pflegeinstitutionen sind bekanntlich sehr teuer und die hohen Kosten können die Eigenheimbesitzer schon mal dazu zwingen, ihr Heim zu verkaufen, um mit dem Erlös die Heimkosten zu bezahlen. Damit es nicht so weit kommt, können Hauseigentümer ihren Besitz im Voraus den Nachkommen vermachen, aber trotzdem weiter darin wohnen. Das Ehepaar Pulver kann so nicht mehr zum Verkauf seines Hauses gezwungen werden, da es ihnen ja nicht mehr gehört. Für die Weitergabe des Eigenheims stehen rechtlich zwei Möglichkeiten zur Auswahl: Die Nutzniessung und das Wohnrecht, beides sind sogenannte Dienstbarkeiten.

Steuereinsparungen als grosser Vorteil

Einen Vorteil haben beide Dienstbarkeiten: Je nach Kanton sparen die Beteiligten erheblich an Erbschafts- und Schenkungssteuern, sofern solche bei Nachkommen erhoben werden. Vorteilhafterweise erkundigt man sich bei der Steuerbehörde, unter welchen Bedingungen sie den Vermögenstransfer als steuerbefreite Schenkung qualifiziert. Im Kanton Zürich gilt beispielsweise die Regel, dass der Schenkungsanteil mindestens
25 Prozent des gesamten Wertes ausmachen muss. Heikel wird es bei einem Grundstückbesitz im Ausland. Ideal wäre es hier, man würde bereits beim Kauf eines solchen Objekts ans Vererben denken.

Eigenheimwert kann gesenkt werden

Da die neuen Eigentümer der Liegenschaft diese nur noch sehr beschränkt nutzen können, vermindert sich logischerweise ihr Wert. Um wie viel, lässt sich durch eine Formel errechnen, in der die Lebenserwartung des Wohnberechtigten oder Nutzniessers und der Wert der Nutzung pro Jahr berücksichtigt werden. Zur Berechnung einer allfälligen Schenkungssteuer wird nur noch der so reduzierte Betrag herangezogen. Logischerweise fällt die Steuer umso geringer aus, je jünger der Wohnberechtigte oder Nutzniesser ist. Im Kanton Basel Land zum Beispiel beträgt der Gegenwert des elterlichen Wohnrechts 291000 Franken. Dabei wird der marktübliche Nettomietzins (konkret 24000 Franken) mit einem alters und zinssatzabhängigen Kapitalisierungssatz multipliziert (12,1 für 75 Jährige bei 3,5 Prozent Diskontierungssatz). Das  Nutzniessungsrecht wird mit 158000 Franken nur gut halb so hoch veranschlagt als das Wohnrecht. Der tiefere Wert erklärt sich damit, dass der Nutzniesser mehr Pflichten übernehmen muss. So kommt er nicht nur für den Eigenmietwert und den normalen Unterhalt der Liegenschaft auf, wie der Wohnberechtigte. Er trägt zusätzliche Lasten wie Hypothekarzinsen, Versicherungen, Abgaben und Vermögenssteuern (s. Tabelle). Andererseits hat der Nutzniesser deutlich mehr Rechte – namentlich darf er Untermieter aufnehmen. Gewiss eine elegante Lösung, um die Rente des Ehepaar Pulvers aufzubessern.

Verkauf kaum mehr möglich

Den neuen Eigentümern des Objekts, in unserem Beispiel die Kinder, muss klar sein, dass ein Haus mit Wohnrecht oder Nutzniessung zwar theoretisch weiterhin verkauft werden kann, praktisch aber kaum. «So lange es auf dem Markt andere Häuser gibt, wird kaum jemand eines mit bestehendem Wohnrecht oder Nutzniessung erwerben, da die Nutzung für den neuen Eigentümer stark eingeschränkt ist», geben Experten zu bedenken. Nutzniessung oder Wohnrecht? Der Hauseigentümerverband Bern und Umgebung gibt keine pauschalen Tipps, wann sich welche Dienstbarkeit empfiehlt: «Beide Seiten müssen abklären, welche Möglichkeiten es gibt und was für sie stimmt.» Je nach finanzieller und familiärer Situation sehe das unterschiedlich aus. Auch ist etwa das Wohnrecht nicht einfach gleich Wohnrecht: «Es kann beispielsweise entgeltlich oder unentgeltlich ausgeübt werden. » Das heisst, dass die Eltern eine Art Miete bezahlen – oder eben nicht.