Nachhaltig bauen: So klappt die grüne Revolution mit Holz und Lehm

16.11.2022

Wer möglichst umweltfreundlich neu bauen oder renovieren möchte, setzt auf Baumaterialien mit guter Ökobilanz, Energieeffizienz und erneuerbare Energie. Ein Ratgeber für umweltbewusste Bauherrschaften.

Nachhaltig bauen: So klappt die grüne Revolution mit Holz und Lehm

Von Bernhard Bircher-Suits und Agustina Balmer

Die rund 2,3 Millionen Gebäude in der Schweiz beanspruchen gemäss Energie Schweiz rund die Hälfte des Schweizer Energieverbrauchs. Der riesige Gebäudepark ist zudem verantwortlich für zirka ein Drittel des inländischen CO2-Ausstosses. Der Gebäudebereich ist auch massgeblich verantwortlich für den Verbrauch stofflicher Ressourcen, das Abfallaufkommen und die Umweltbelastung.

Ältere Gebäude müssen energetisch saniert werden

Geht es nach dem Willen des Bundesrats, soll unser Land gemäss Schweizer Energiestrategie ab dem Jahr 2050 unter dem Strich keine klimaschädlichen Treibhausgase mehr ausstossen. Will die Schweiz dieses Ziel erreichen, müssen ältere Gebäude energetisch saniert und Neubauten umweltfreundlicher und nachhaltiger erstellt werden. Ein grosses Problem beim (Um-)Bauen: Die Herstellung von Baumaterialien wie zum Beispiel Zement und Backsteine benötigt viel Energie und belastet die Umwelt.

Holz hat eine ausgezeichnete Umweltbilanz

Holz aus der Schweiz weist im Vergleich dazu eine ausgezeichnete Ökobilanz auf und wird daher für das nachhaltige Bauen immer wichtiger – auch im Hinblick auf die Schweizer Klimaziele. Die Gewinnung, Verarbeitung und der Transport von Holz benötigen wenig Energie. Holz ist zudem leicht zu bearbeiten, von hoher Festigkeit und frei von Emissionen. Im Vergleich zu anderen konstruktiven Baustoffen ist Holz ausserdem ein guter Wärmedämmer. 

Holzbau profitiert auch von angepassten gesetzlichen Rahmenbedingungen

Das Bundesamt für Umwelt kommt im Jahrbuch «Wald und Holz 2021» zum Schluss: «Die Nachfrage nach Bauten in Holz(hybrid)bauweise gewinnt dank den angepassten gesetzlichen Rahmenbedingungen (u. a. keine Diskriminierung mehr von Holz im Baubereich durch moderne Brandschutzvorschriften), dem im internationalen Vergleich hohen Stand des Schweizer Holzbaus und der zunehmenden Attraktivität des Holzbaus bezüglich Flexibilität, statischen Vorteilen bei Aufstockungen im Zuge des verdichteten Bauens, kurzen Bauzeiten, den Sensibilisierungsaktivitäten insbesondere bezüglich Nachhaltigen Bauens usw. wieder steigende Bedeutung.»

Verstärkt Bauholz aus der Schweiz einsetzen

Im Schweizer Bauwesen ist der Holzanteil aber noch tief und der Importanteil hoch. Gemäss dem Branchenverband Holzbau Schweiz beträgt der Holzanteil in der Tragekonstruktion bei allen Gebäudekategorien insgesamt nur rund 15 Prozent (Stand 2021). Der jährliche Holzverbrauch der Schweiz liegt inklusive Importholz bei fast 11 Millionen Kubikmeter. Nur rund die Hälfte des verbrauchten Holzes stammt aus Schweizer Wäldern. Dabei gäben diese weit mehr her. Die Schweiz könnte gemäss Fachleuten bis zu 8 Millionen Kubikmeter Holz ernten, ohne die Vorgaben einer nachhaltigen Waldwirtschaft zu missachten. Meint es die Schweiz mit der Klimaneutralität im Bauwesen ernst, muss beim Bauen in Zukunft mehr Holz eingesetzt werden – idealerweise aus Schweizer Wäldern.

Holzeinsatz sogar bei Hochhäusern möglich

Der Baustoff Holz bewährt sich auch bei hohen Gebäuden: So hat zum Beispiel die ERNE AG Holzbau das zehngeschossige Bürogebäude «Suurstoffi 22» in Risch-Rotkreuz (ZG) in einer Holz-Beton-Verbundkonstruktion erstellt – im Auftrag der Zug Estates AG. Es ist das erste Holzhochhaus der Schweiz. Für die Architektur waren Burkard Meyer Architekten aus Baden (AG) verantwortlich. Holz ist als nachwachsender Rohstoff zwar ideal, aber nicht der einzige Baustoff, um klimafreundlich zu bauen. Marlen Egloff, Leiterin Marketing und Kommunikation, bei der ERNE AG Holzbau in Laufenburg (AG), sagt: «Auch der Werkstoff Lehm weist minimale CO2-Emissionen auf und ist fast überall verfügbar. Wichtig ist, dass jedes Material mit seinen individuellen Eigenschaften am richtigen Ort eingesetzt wird.» Die Machbarkeit, mit Holz und Lehm zu bauen, sei längst bewiesen.

Nachhaltiges Bauen braucht eine gute Planung

Umweltbewusste Bauherrschaften müssen bei einem Bauprojekt bereits in der Planungsphase die umweltrelevanten Entscheide treffen. So sollten zum Beispiel lange Transportwege nach Möglichkeit bei allen Um- und Neubauten vermieden werden. Wer lokale Baupartner wählt, spart nicht nur Anfahrtswege und Transportkosten, sondern auch CO2. Marlen Egloff von der ERNE AG Holzbau sagt: «Das A und O als Auftraggeberin oder Auftraggeber ist, sich frühzeitig und breit zu informieren. Wir bieten hierfür beispielsweise die Veranstaltung «Freitags bei ERNE» an. Interessierte erhalten dabei einen Rundgang durch unsere Produktionshallen, erleben die digitale Planung und Fertigung, können Fragen zu Werkstoffen und Bauprozessen stellen und auf Wunsch Referenzobjekte besichtigen.» Angebote dieser Art sind ideal, um sich ein besseres Bild davon zu machen, was es konkret heisst, mit Holz klimafreundlich und nachhaltig zu bauen.

Energieeffizienz ist das Gebot der Stunde

Wer möglichst umweltfreundlich renovieren oder bauen will, sollte aber nicht nur auf die Art der eingesetzten Baustoffe achten. Es geht auch um Energieeffizienz. Eine bessere Dämmung kann den Wärmebedarf eines älteren Gebäudes um mehr als die Hälfte reduzieren, ein Umstieg auf erneuerbare Energien beim Heizen die CO2-Emmissionen fast auf null senken. Ein durchschnittliches Gebäude mit Baujahr zwischen 1950 und 1980 verliert rund einen Drittel der erzeugten Wärmeenergie übers Dach. Ein Drittel verpufft über die Fassade. Die Restwärme entweicht durch die Fenster oder über den Keller. Wer ein älteres Gebäude energieeffizient sanieren will, setzt deshalb am besten bei diesen Energielecks an.

Gebäudeenergieausweis und Minergie-Baustandards helfen bei Planung

Der Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK) zeigt bei bestehenden Gebäuden auf, wie viel Energie ein Gebäude im Normbetrieb benötigt. Dieser Energiebedarf wird in Klassen von A bis G in einer Energieetikette angezeigt. Ein GEAK ist ein praktisches Planungsmittel für anstehende Umbauten und Sanierungen. Der Schweizer Minergie-Baustandard hilft zudem, Aspekte für ein energieeffizientes Bauen zu beachten und einzuhalten. Minergie-Bauten zeichnen sich durch einen sehr geringen Energiebedarf und einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien aus. Die drei Gebäudestandards Minergie, Minergie-P und Minergie-A stellen sicher, dass bereits in der Planungsphase höchste Effizienz angestrebt wird. Mit dem Zusatz «ECO» werden zudem die Themen Gesundheit und Bauökologie berücksichtigt. Auch die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn 2014) helfen bei der Bauplanung, teils sind diese Vorschriften auch gesetzlich verankert.

Zero-Waste-Kreislaufwirtschaft als Ziel

Es gilt, nicht zu vergessen: Die Bauwirtschaft ist für den grössten Teil der Abfälle in der Schweiz verantwortlich. Beim Rückbau von Gebäuden fallen pro Jahr rund 7,5 Millionen Tonnen Abfall an. Lediglich 10 Prozent davon werden in den Materialkreislauf zurückgeführt. Rezyklierte Baustoffe sind von der Qualität her den herkömmlichen Baustoffen ebenbürtig. Wer einen Baupartner wählt, sollte daher klären, inwiefern er zum Beispiel Beton mit Sekundärrohstoffanteil einsetzt. Denn mit «Recycling-Beton» lässt sich der CO2-Fussabdruck eines Bauprojekts reduzieren. Wer als Auftraggeber die folgenden Tipps beachtet, stellt sicher, dass sein Bauprojekt mit zur grünen Revolution in der Schweiz beiträgt und der Megatrend zur Neo-Ökologie weitergeht. 

Tipps zum nachhaltigen Bauen und Renovieren

  • Partnerwahl: Deine Baupartner sollten deinen Wunsch nach Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Bauökologie möglichst teilen. Suche bewusst nach Unternehmen mit bestehenden Referenz-Projekten, anerkannten (Minergie-)Zertifikaten, Praxiserfahrung und funktionierender Kreislaufwirtschaft. 
  • Energieberatung: Kläre ab, ob deine Gemeinde oder der Kanton eine Energieberatung anbieten und unter Umständen (mit-)finanzieren.
  • Ist-Analyse: Mache mit Hilfe von Fachkräften eine Ist-Analyse eines bestehenden Gebäudes. Für ältere Immobilien kann sich ein sogenannter GEAK plus-Bericht lohnen.
  • Gebäudeprogramm: Mit dem staatlichen Gebäudeprogramm wollen Bund und Kantone den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoss des Schweizer Gebäudeparks reduzieren. Dank des Gebäudeprogramms erhältst du Fördergelder für energetisch wirksame bauliche Massnahmen.
  • Lokale Baustoffe bevorzugen: Baustoffe wie Holz oder Lehm aus der Schweiz haben eine sehr gute Ökobilanz. Frage als Auftraggeber bei deinen Baupartnern nach, welche Baumaterialien sie einsetzen und woher sie diese beziehen. Mit lokalen Baustoffen schützt du nicht nur die Umwelt, sondern hilfst auch der lokalen Wirtschaft. Kurze Transportwege sparen Kosten und Treibhausgase. 
  • Intelligente Haussteuerungen: Intelligente Haussysteme helfen beim Energiesparen, bei der Steuerung des Lichts, des Herds, etc. Stromsparen wird damit stark vereinfacht. Frage bei deinen Partnern nach, inwiefern sie intelligente Steuerungen ins Bauprojekt integrieren können.
  • Steuern: Werterhaltende Renovations- und Umbauarbeiten dürfen Private vom steuerbaren Einkommen in Abzug bringen. Wertvermehrende Arbeiten sind dagegen nicht abzugsfähig. Die Ausnahme sind energiesparende Investitionen.
  • Ökologische Wärmedämmung: Mit natürlichen Dämmstoffen und Mehrfachverglasung kannst du die Wärme umweltfreundlich im Gebäude halten. Achte darauf, ob deine Baupartner auf Langlebigkeit und Wiederverwertbarkeit achten. Dämmstoffe, die bei der Herstellung wenig Energie verbrauchen und biologisch abbaubar sind, eignen sich optimal. Frage zum Beispiel nach Dämmmaterial wie Zellulose, Baumwolle, Hanf oder Stroh.