Was ist eine Minergie-Wohnung?

05.05.2021

Minergie ist ein Schweizer Label für Niedrigenergiehäuser. Es verspricht einen klaren, auch für Laien verständlichen Qualitätsstandard - und vor allem einen tiefen Energieverbrauch. Wer eine Minergie-Wohnung kaufen oder mieten will, sollte folgendes beachten.

Von Jürg Zulliger

Die chemische Formel CO2 klingt abstrakt. Doch immer mehr gehört es zum Allgemeinwissen, dass zu viel CO2 in der Erdatmosphäre schädlich ist. CO2 trägt zur Erderwärmung bei – ein grosser Teil davon stammt aus dem Verkehr, hängt aber auch mit dem Betrieb von Gebäuden zusammen.

Experten schätzen, dass etwa 33 Prozent des CO2-Ausstosses der Schweiz durch die Heizung von Gebäuden verursacht werden. Die Schweiz hat schon in den 1990er-Jahren angefangen, Gegensteuer zu geben. Früher waren die Bau- und Energiegesetz relativ lax. So war es nicht ungewöhnlich, dass in Wohnhäusern älterer Baujahre im Winter Energie regelrecht verschleudert wurde. Viele Gebäude früherer Baujahre verbrauchen pro Jahr und Quadratmeter Wohnfläche über 20 Liter Heizöl.

Die Kantone haben die Bau- und Energievorschriften in den letzten 20 Jahren revidiert und stellen höhere Anforderungen. Als Meilenstein galt es, als 1998 das Schweizer Label Minergie eingeführt wurde. Initianten waren Privatpersonen, später wurde der anerkannte Standard für Niedrigenergiehäuser in der Schweiz massgeblich von den Kantonen unterstützt. Formell ist Minergie eine geschützte Marke und wird von einem privaten Verein getragen.

Schweizer Erfolgsgeschichte

«Insgesamt sind bis jetzt rund 51'000 Gebäude nach Minergie zertifiziert worden», sagt Andreas Meyer Primavesi, Geschäftsleiter von Minergie. Doch was muss sich ein Wohnungsmieter oder ein Wohnungskäufer vorstellen, wenn er in eine Minergie-Wohnung einzieht? Das Haus zeichnet sich vor allem durch einen tiefen Energieverbrauch aus. Sowohl die Minergie-Labels für Neubau als auch für Sanierungen schneiden beim Energieverbrauch wesentlich besser ab als andere Gebäude. Zweitens: Minergiegebäude nutzen erneuerbare Energien und kommen ohne fossile Brennstoffe  aus. Oder andersherum gesagt: Wenn du ein Haus ohne dieses Zertifikat baust, erfüllt dies lediglich die üblichen Baugesetze und Baunormen.

Im Einklang mit Klimazielen

«Ein Minergiehaus oder eine Minergie-Wohnung bieten damit Gewähr, dass es mit den heutigen und künftigen Klimazielen der Schweiz kompatibel ist», betont Meyer Primavesi. Die Anforderungen an den Energieverbrauch und die entsprechenden technischen Standards sind so gestaltet, dass fossile Brennstoffe nicht mehr in Betracht kommen.

Was sind die spezifischen Eigenschaften von Minergie-Wohnungen? Minergie-Häuser sind in der Regel mit einer automatischen Lüftungsanlage ausgestattet und stellen höhere Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz (keine Überhitzung im Hochsommer). Qualitätsmerkmal ist weiter, dass sie den Energieverbrauch kontinuierlich messen. Der Verein Minergie wirbt zudem mit dem Argument des hohen Komforts – dank der Lüftungsanlagen zeichnen sich die Gebäude durch ein gutes Innenraumklima aus. In der aktuellen Pandemie-Lage ist ein kontinuierlicher Luftwechsel im Innern ein unbestreitbarer Vorzug.

Minergie: Übersicht aller Labels

Minergie umfasst verschiedene Dienstleistungen, Labels und Qualitätsstandards. Im Wesentlichen sind folgende Zertifikate auseinanderzuhalten:

Nebst dem seit 1998 bekannten Standard «Minergie» für Neubauten und Sanierungen gibt es die Labels Minergie-P und Minergie-A:

  • Minergie-P stellt noch höhere Anforderungen an die Gebäudehülle und verspricht einen noch tieferen Grenzwert beim Energieverbrauch – man braucht quasi nicht mehr zu heizen.
  • Minergie-A gilt als Standard mit maximaler Autarkie, weil nach Minergie-A zertifizierte Gebäude als Plusenergiehäuser funktionieren. Sie produzieren mehr Energie als sie brauchen.
  • Minergie-ECO: Wer die Labels mit bauökologischen Aspekten ergänzen will, entscheidet sich mit Vorteil für eine Ergänzung mit dem ECO-Zusatz.

Die Kostenfrage von Minergie

In Sachen Ökologie und Nachhaltigkeit bietet Minergie somit viele Vorzüge und bürgt für einen hohen Standard. Übrigens wird die Einhaltung der Qualitätsstandards auch regelmässig überprüft, etwa durch Stichproben während des Baus eines Minergiegebäudes. Technisch gesehen sind bei Minergie-Gebäuden einige zusätzliche Aufwendungen zu berücksichtigen (etwa für eine bessere Qualität der Fenster, eine bessere Gebäudehülle, die Lüftungs- und PV-Anlage, ein Energiemonitoring etc.). Andreas Meyer Primavesi schätzt, dass je nach konkreten Umständen und je nach Label die Mehrkosten etwa zwei bis fünf Prozent ausmachen. Diese Grössenordnung bezieht sich auf die reinen Baukosten.

Da bei einem Neubau ja auch noch Kosten für das Bauland dazu kommen, bewegt sich der prozentuale Aufpreis in Grenzen. Im Übrigen gilt die Regel, dass ein höherer Baustandard nicht unbedingt wesentlich mehr kostet – wenn die Bauherrschaft und der Architekt Erfahrung damit haben und alles von Anfang an gut planen. «Als Gegenleistung erhalten die Bewohner einen deutlichen Mehrwert», sagt der Vertreter von Minergie. So liegen die Energie- und Betriebskosten im Lauf der Jahre deutlich tiefer. Hinzu kommt natürlich der Gewinn an Komfort und Qualität, der sich nicht einfach in Franken ausdrücken lässt.

Am besten die Minergie-Wohnung gut erklären lassen

Fazit: Minergiehäuser sind in der Schweiz gut etabliert und erprobt. Viele private Bauherrschaften, Stockwerkeigentümer und Architekten verwenden den Begriff «Minergie» schon fast synonym für ein besseres Klima und für nachhaltiges Bauen. Dennoch sollten die Hausverwaltung und letztlich auch die Bewohnerinnen und Bewohner mit den Besonderheiten vertraut sein. Die technischen Anlagen müssen gut eingestellt sein und regelmässig gewartet werden – etwa die Filter der Lüftungsanlagen (je nach dem ob diese zentral oder pro einzelne Wohnung betrieben werden). – Wenn du in eine Minergie-Wohnung ziehst, solltest du dich also entsprechend informieren und dich instruieren lassen. Alles in allem sind dies wichtige Schritte zu einem höheren Standard im Wohnbereich und in eine CO2-freie Zukunft.