Die eigene Wohnung als Kapitalanlage

13.04.2021

Trotz bereits hoher Preise sind Investitionen in Wohnungen, Liegenschaften und Grundstücke so gefragt wie noch nie. Seit Anfang Jahr gelten allerdings für die Finanzierung strengere Spielregeln. Lohnt es sich heute noch, eine Wohnung zu kaufen, um sie zu vermieten?

Jürg Zulliger

Die Schweizer Wirtschaft durchläuft seit rund 20 Jahren einen beispiellosen Immobilienboom. Immobilien machen heute den Löwenanteil am Privatvermögen der Schweizer Haushalte aus. Und Hypotheken zur Finanzierung neuer Investments sind zu traumhaft günstigen Zinsen erhältlich. „Buy to let“, also der Kauf einer Wohnung zur Vermietung und als Geldanlage, ist geradezu zu einem Volkssport geworden.

Buy to let: Die neuen Spielregeln der Banken

Fragt sich bloss, ob dir die Banken im aktuellen Umfeld nach wie vor grosszügig Kredit gewähren. Für eine „normale“, selbst bewohnte Liegenschaft, steuern die Banken ja 80 Prozent des Kaufpreises bei. 20 Prozent musst du als Eigenkapital einbringen.

Seit dem 1. Januar erliess allerdings die Bankiervereinigung strengere Vorschriften: die sogenannten Mindeststandards. Renditeliegenschaften (zum Beispiel Mehrfamilienhäuser mit vermieteten Wohnungen) dürfen von den Banken neu höchstens noch zu 75 Prozent belehnt werden (früher 80 bis 90 Prozent). Deutlich strenger wird bei dieser Kategorie auch das Regime bei den Pflichtamortisationen: Der Bankkredit ist von Beginn weg zu amortisieren, und zwar neu in einer verkürzten Frist von 10 Jahren (früher 15) auf maximal zwei Drittel des Belehnungswertes.

Doch selbst unter Experten ist die Frage strittig, ob diese neuen Spielregeln auch für „buy to let“ gelten. Werden also Feierabend- und private Hobbyvermieter gleich behandelt wie Profiinvestoren mit mehreren Liegenschaften? Die ZKB schreibt dazu, dass sie solche Eigentumswohnungen an sich gleich bewerten wie selbstgenutzte Stockwerkeinheiten. Das ist ein entscheidender Punkt. Denn würde das Objekt wie eine Renditeliegenschaft zum so genannten Ertragswert geschätzt, würde der maximal von der Bank finanzierte Betrag viel tiefer ausfallen. Der Ertragswert ist vereinfacht gesagt eine finanztechnische Formel, um jährliche Mieterträge in einen Kapitalwert umzurechnen.

Kaufpreis oder Ertragswert?

Lorenz Heim vom VZ Vermögenszentrum sagt dazu: „Die Ertragswerte von solchen Wohnungen liegen durchschnittlich etwa 30 Prozent tiefer als die Schätzwerte beim Eigengebrauch der Wohnung.“ Die Bank Cler schreibt, „buy to let“ werde an sich gleich streng behandelt wie normale Renditeliegenschaften. Und Raiffeisen Schweiz hält fest, es seien an sich keine Renditeobjekte, bei der Belehnung und den Amortisationen würden indes die gleichen Spielregeln wie bei Renditeliegenschaften gelten.

„Das Thema ist offenbar sehr komplex“, sagt Experte Lorenz Heim vom VZ. Seine Interpretation: Für ein Topobjekt – zum Beispiel am Zürichberg oder im „Bruderholzquartier“ in Basel – ändere sich der Wert einer Wohnung ja nicht, wenn sie vom Eigentümer an Dritte vermietet würde. An guten Lagen findet er es daher gerechtfertigt, die Wohnung analog wie eine selbst genutzte Stockwerkeinheit zu bewerten und zu finanzieren. Das heisst: Der Schätzwert der Bank liegt höher und es gibt mehr Kredit.

An weniger guten Lagen wäre hingegen grössere Vorsicht am Platz. Denn in ländlichen und peripheren Regionen sind die Wohnungsleerstände gestiegen; oft finden sich gar keine Käufer für Eigentumswohnungen. Schlussfolgerung: Je nach Standort und je nach Bank musst du davon ausgehen, dass sich Wohnungen zum Zweck einer Kapitalanlage nach wie vor finanzieren lassen. Allerdings dürften die Auflagen ab 2020 deutlich strenger werden. Das heisst: Du musst selbst mehr Eigenkapital bereithalten und wenn nötig auch rascher Kreditamortisationen leisten.

Chancen und Risiken mit Immobilien

Bleibt natürlich die Frage, ob sich „buy to let“ im aktuellen Umfeld überhaupt noch lohnt. Überschlagsmässig gerechnet sind die Eigentümer von Wohnungen in den letzten 20 Jahren sehr gut gefahren. Wenn wir die laufenden Erträge und noch den Wertzuwachs von Immobilien bzw. Eigentumswohnungen addieren, lagen oft fünf bis sieben Prozent Gesamtertrag pro Jahr drin.

Inzwischen sind die Preise noch höher, und die Risiken nehmen eher zu. In der ganzen Schweiz stehen schon über 70’000 Mietwohnungen leer. Die Probleme konzentrieren sich allerdings vor allem auf Randregionen und auf Neubauten.

Lorenz Heim mahnt in jedem Fall zur Vorsicht: „Eine Wohnung als Einzelinvestment stellt immer ein gewisses Klumpenrisiko dar.“ Wenn gerade dort die Leerstände steigen oder sonst Probleme auftauchen, droht es zu einem Verlustgeschäft zu werden.

Wer am Schweizer Immobilienmarkt partizipieren will, hat noch einige Alternativen offen. Denkbar sind vor allem Schweizer Immobilienfonds und Schweizer Immobiliengesellschaften. Diese Wertschriften sind an der Börse gehandelt, sie sind breit diversifiziert und zahlen Dividenden bzw. Erträge an die Anleger. Du kannst diese Variante von Immobilieninvestments jederzeit an der Börse kaufen und verkaufen, und schon ab geringen Beträgen.

Buy to let: Die Pro-Argumente

Gute Kapitalanlage: Auf dem Bankkonto oder mit anderen konservativen Geldanlagen läufst du heute Gefahr, dass das Geld infolge von Gebühren, Spesen und Strafzinsen brach liegt oder gar zum Verlustgeschäft wird. Eine Eigentumswohnung oder ein Haus sind interessante Alternativen – insbesondere wenn du vielleicht selbst mal dort einziehen möchtest.

Wünsche der Mieter kennen: An guten Lagen stellt die Vermietung meist kein Problem dar. Wichtig ist auch, dass die Wohnung gut „im Schuss ist“, gepflegt wird und mit einer guten Ausstattung überzeugt. Wenn du ein gutes Flair für solche Dinge hast, wirst du zufriedene Mieter haben.

Günstige Hypotheken: Besonders attraktiv sind heute die tiefen Zinsen. Zwar ist niemandem gedient, eine allzu aggressive Strategie mit einer hohen Belehnung durch Bankkredite zu verfolgen. Doch wenn Hypotheken zu 0.5 oder zu 0.8 Prozent zu haben sind, macht dies ein Immobilieninvestment ohne Zweifel attraktiv.

Buy to let: Die Contra-Argumente

Zeitaufwand: Bevor du in die Rolle eines Vermieters schlüpfst, mach dir einige grundsätzliche Gedanken. Bist du der Typ dafür? Kennst du dich im Quartier und mit allem Drum und Dran der Wohnung gut aus? Du musst Verträge abschliessen, die Mieten kalkulieren, Handwerker aufbieten, dich mit Stockwerkeigentum auskennen und noch vieles mehr. Du musst dich das ganze Jahr darum kümmern, dass alles in der Wohnung tiptop ist oder wenn nötig gleich repariert wird. Eine externe Verwaltung kostet meist etwa vier bis sechs Prozent der Mieterträge.

Risiken: Mieter, die nicht zahlen, Schäden an der Mietwohnung, teure Reparaturen, teils Leerstände und Mietzinsausfälle etc. Auch bei Immobilien gilt die einfache Regel: Ganz ohne Risiko ist es kaum möglich, einen Mehrertrag gegenüber dem Kontoguthaben auf der Bank zu erzielen.

Rückstellungen und Kosten budgetieren: Du kannst dir die Ertragsaussichten nicht „schönrechnen“. Nicht zu vergessen sind die laufenden Nebenkosten, Rückstellungen und Abschreibungen. Vermietete Wohnungen sind bald einmal „abgewohnt“, es braucht auch immer wieder Sanierungen und Investitionen.