Sanierung oder Neubau? Diese Fragen solltest du klären

25.04.2023

In der Schweiz sind rund 1.5 Millionen Immobilien sanierungsbedürftig. Renovationen über mehrere Jahre hinweg können steuerlich interessant sein – doch oft ergibt eine (energetische) Totalsanierung oder ein Neubau mehr Sinn als eine Flickwerk-Politik. Wir zeigen dir die Vor- und Nachteile verschiedener Bauvarianten und sagen, wie du die nötigen Entscheidungsgrundlagen für dein Bauprojekt beschaffst.

Sanierung oder Neubau? Diese Fragen solltest du klären

Von Bernhard Bircher-Suits

In der Schweiz gelten rund 1.5 Millionen Gebäude aufgrund ihres Alters und Zustands als «energetisch sanierungsbedürftig». Gemäss der Schweizer Energiestiftung kann der Energiebedarf für Raumwärme (Heizung) und Warmwasser bei bestehenden Gebäuden durch eine energetische Sanierung um rund die Hälfte und bei einer Sanierung nach Minergie-P-Standard sogar um rund 75 Prozent reduziert werden. Momentan wird in der Schweiz aber nur eins von hundert Gebäuden pro Jahr energetisch saniert. Kurz: Es gibt noch viel Sanierungsbedarf – allenfalls auch bei deinem Gebäude?

Energetischer Gebäudezustand mit GEAK-Bericht abklären

Falls du ein über 40 Jahre altes Haus oder Mehrfamilienhaus besitzt, solltest du dir früher oder später die Frage stellen, wie der energetische Gebäudezustand deiner Immobilie aussieht. Als Ausgangspunkt für eine solche Analyse dient dir ein sogenannter Gebäudeenergieausweis der Kantone, oder kurz GEAK-Bericht. Eine zertifizierte GEAK-Fachperson kann dir in deinem Auftrag den GEAK ausstellen.

Kosten von 1’400 bis 2’000 Franken für ein Einfamilienhaus

Die Ausstellung des GEAK kostet je nach Gebäude, Region und Experte unterschiedlich viel. Am besten holst du daher mehrere Offerten ein. Für ein Einfamilienhaus musst du mit Kosten von rund 1’400 bis 2’000 Franken rechnen. Dein Geld ist gut investiert, denn einige Kantone verlangen diesen Bericht zwingend bei Handänderungen oder einem Heizungsersatz. In den meisten Kantonen erhältst du zudem Fördergelder für die Erstellung eines GEAK Plus. Er ist die Basis für Förderanträge und ist auch für Kreditgeber interessant. Wir erklären dir im untenstehenden Abschnitt, was ein solcher GEAK Plus-Bericht genau beinhaltet. Die von dir beauftragte GEAK-Fachperson prüft dein Gebäude in erster Linie in Bezug auf den langjährigen Energieverbrauch. Der Basis-GEAK ist die offizielle «Energieetikette» der Kantone. Sie zeigt dir die Energieklasse der Gebäudehülle, Gebäudetechnik und die direkten CO2-Emissionen in sieben Klassen von «A» bis «G» an.

Energieklasse G: ein sanierungsbedürftiger Altbau

Die Einstufung «A» steht für «sehr energieeffizient» resp. «Neubau-Standard» und «G» bedeutet «wenig effizient». Erhält deine Immobilie die Note «G», reden Fachleute auch von einem «sanierungsbedürftigen Altbau». Du hast mit einer solchen Note klaren Handlungsbedarf. Mit dem GEAK-Basis erhältst du auch eine erste grobe Beurteilung der einzelnen Bauteile und der Haustechnik sowie Hinweise zum aktuellen Gebäudezustand. Mit dem 10 Jahre gültigen Bericht erkennst du das mögliche Einsparpotenzial deines alten Gebäudes und erfährst, wie du zum Beispiel beim Heizungsersatz oder bei einer Solaranlage von staatlicher Förderung profitieren kannst.

GEAK-Plus-Bericht: Umsetzungsoptionen für den energetischen Teil

Der teurere GEAK Plus-Beratungsbericht bietet noch mehr Details und ist zum Beispiel bei einem Mehrfamilienhaus angebracht. Er erläutert zusätzlich Modernisierungsstrategien und liefert Umsetzungsmöglichkeiten. Der Bericht ist für dich eine konkrete Entscheidungshilfe, falls du eine energetische Sanierung in Betracht ziehen solltest. Als energetische Sanierung zählen zum Beispiel die Verbesserung der Wärmedämmung sowie erneuerbare Energien nutzende Installationen wie Solarzellen oder eine Wärmepumpe.

Der GEAK-Plus-Bericht betrachtet aber nur die energetische Seite deiner Immobilie und ersetzt keine vertieften Gebäudeprüfungen durch Architekt*innen oder andere Baufachleute. Er ist trotz allem aber eine gute Grundlage für deine weiteren Überlegungen und dient zum Beispiel Architekt*innen als seriöse Grundlage für weitere Planungsschritte. 

Vertiefte Prüfung der Bausubstanz und Machbarkeitsstudie

Ob deine Immobilie (etappenweise) oder auf einen Schlag saniert oder ganz abgerissen und neu gebaut werden soll, gilt es in einem weiteren Schritt zu prüfen. Verschaffe dir vorerst Klarheit über deine eigenen Zukunftspläne und deine Wohnbedürfnisse oder die deiner Mietparteien. Deine ganz individuellen Pläne mit deiner Immobilie sind die Basis für alle folgenden Entscheide. Bei allen Entscheidungen spielen natürlich immer auch deine Finanzierungsmöglichkeiten eine Rolle. Ein Entscheid für bauliche Massnahmen hängt aber massgeblich von der vorhandenen Bausubstanz ab. Du solltest Baufachleute dafür beauftragen, Wände, Fassade, Fenster, Dach, Dämmung, Leitungsstränge für Wasser und Abwasser sowie die Gebäudetechnik unter die Lupe zu nehmen. 

Aus- und Umbaupotential klären 

Es gilt auch zu prüfen, ob in einem bestehenden Gebäude Um- oder Ausbauten möglich sind oder es dafür zwingend einen Neubau braucht. Wenn die Bausubstanz intakt ist und das Gebäude nicht entkernt werden muss, ist eine Sanierung meist günstiger und schneller durchzuführen als ein Neubau. Umbauten haben einen grossen Vorteil: Sie verursachen weniger graue, klimaschädliche CO2-Emissionen als Neubauten. Doch vor einer Sanierung solltest du folgende Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen:

Vorteile Sanierung

  • Je nach Zustand des Gebäudes kann eine Sanierung günstiger und schneller sein als ein Abriss und Neubau. Langfristig aber rechnet sich vor allem eine energetische Sanierung. 
  • Eine schrittweise Sanierung ermöglicht es dir, dass du und allfällige Mietparteien währenddessen in deiner Immobilie bleiben können.
  • Jede energetische Sanierung ist zu Beginn mit grösseren Investitionen verbunden. Die jährlichen Einsparungen erscheinen kurzfristig betrachtet vergleichsweise gering. Etliche Kosten fallen früher oder später aber sowieso an (Ersatz der Heizung, Erneuerung der Fassade usw.). Zudem verteuern sich fossile Energieträger durch steigende Abgaben und Lenkungssteuern in Zukunft weiter.
  • Das Gebäude bleibt erhalten – und die Sanierung spart CO-Emissionen im Vergleich zum Neubau.
  • Die Grünfläche muss nicht entfernt werden und bleibt erhalten.
  • Es fallen weder Abriss- noch hohe, allenfalls kaum tragbare Neubaukosten an.
  • Etappenweise Sanierungen kann man im Idealfall über mehrere Steuerperioden verteilen und so die Einkommenssteuern optimieren.

Nachteile Sanierung

  • Eine Vollmodernisierung kann dich mehr kosten als ein Neubau.
  • Das Leben auf einer ewigen Baustelle kann dich sowie allfällige Mietparteien emotional belasten. Mietparteien zahlen während Bauarbeiten zudem weniger Miete. 
  • In Altbauten können teure Überraschungen wie zum Beispiel Asbest im Dach oder der Küche schlummern. Die Beseitigung solcher Altlasten kostet meist viel Geld.
  • Auch nach einer Sanierung erreicht das Gebäude nicht die Energieeffizienz eines Neubaus.
  • Aus einer «Hundehütte» wird auch nach einer aufwändigen Sanierung keine «Top-Villa». Das heisst, das wertmässige Aufwertungspotenzial ist bei einem bestehenden Objekt beschränkt. 
  • Aufgrund der vorhandenen Bausubstanz stossen Um- und Ausbauwünsche oft an technische oder finanzielle Grenzen. Ein Umbauprojekt ist meist ein «Kompromiss»-Projekt.

Machbarkeitsstudie zeigt dir deine Möglichkeiten und die Kosten auf

Im Rahmen einer umfassenden Machbarkeitsstudie prüft ein Architekturbüro die Bausubstanz, trifft baurechtliche Abklärungen, verhandelt mit Behörden und erstellt architektonische Umsetzungs-Konzepte. Zudem werden dir verschiedene Bauvarianten mit den entsprechenden Kosten aufgezeigt. Bei unklarer Finanzierungsmöglichkeiten und rechtlichen Unsicherheiten in Bezug auf Ausbau- und Erweiterungsmöglichkeiten kann die Ausarbeitung von mehreren Varianten Sinn ergeben: Eine etappenweise Sanierung, eine Totalsanierung und ein kompletter Neubau wären drei mögliche Szenarien. Mehr zum Thema «Gebäudestrategie» erfährst du in unserem Ratgeber.

Für ein Modernisierungskonzept kannst du im Idealfall Fördergelder erhalten. Ein solches Konzept benötigt auch deine Hausbank für die Prüfung der Baufinanzierung. Bei einem Mehrfamilienhaus mit mehreren Wohnungen musst du für eine umfassende Machbarkeitsstudie mehrere zehntausend Franken in die Hand nehmen. Du solltest daher mindestens drei Offerten einholen und vor einem Entscheid für eine Variante noch eine unabhängige Zweitmeinung einholen. Was klar ist: Je weniger Varianten abgeklärt werden müssen, desto günstiger wird die Machbarkeitsstudie. Entscheidest du dich für einen Neubau, gilt es, in Zusammenarbeit mit einem Architekturbüro die nächsten Schritte in Angriff zu nehmen. Im Folgenden findest du die Vor- und Nachteile eines Neubaus zur Prüfung.

Vorteile Neubau

  • Du kannst den Baustil frei bestimmen und alles nach deinem Gusto oder den Wünschen deiner Mietparteien bestimmen. 
  • Ein Neubau kann günstiger ausfallen als eine Totalsanierung eines uralten Gebäudes.
  • Ein Neubau ist energetisch auf Top-Niveau in Bezug auf Energieeffizienz, Haustechnik und Heizungsanlage. 
  • Die langjährig anfallenden Nebenkosten sind im Vergleich zu einem sanierten Gebäude in der Regel tiefer.
  • Du kannst dein Grundstück mit einem Neubau allenfalls optimaler ausnutzen.
  • Du hast in den ersten 20 Jahren weniger Unterhaltskosten. Alles ist «neu». 

Nachteile Neubau

  • Deine Neubaukosten lassen sich steuerlich nicht auf mehrere Jahre verteilen.
  • Die Kosten für einen Neubau können rasch dein Budget sprengen. 
  • Bei einem Mehrfamilienhaus gehst du grosse finanzielle Risiken ein (hohe Anforderungen an Eigenkapital, Leerstandsrisiko, Gefahr von Kostenüberschreitungen, etc.).
  • Du oder deine Mietparteien müssen vorübergehend ausziehen oder du musst neue Mietparteien finden.

Weitere Tipps rund um das Thema Sanierung und Neubau

Abrisskosten Neubau & Bewilligung: Die Bandbreite der Abrisskosten für ein durchschnittlich grosses Einfamilienhaus liegt zwischen 20’000 und 70’000 Franken. Tipp: Immer, wenn Änderungen an der Aussenhülle eines Gebäudes vorgenommen werden, braucht es eine Baubewilligung – auch für einen Abriss.

Architekt*in finden: Wer eine umfassende Sanierung oder sogar einen Neubau plant, benötigt in der Regel die Unterstützung eines Architekten oder einer Architektin. Lege deinen Fokus auf Architekt*innen aus der Region. Ein zu langer Anfahrtsweg macht die Koordination mit den Handwerker*innen später unnötig kompliziert und eine lokal verankerte Fachperson kennt in der Regel die Baugesetze und Gegebenheiten vor Ort. Eine Übersicht über die Architekturbüros der Schweiz verschaffen dir folgende Websites:

Bauherrenberatung: Es kann sinnvoll sein, eine*n Bauherrenberater*in beizuziehen, der oder die deine Interessen vertritt und dein Projekt überwacht. Die Honorare lehnen sich an die Empfehlungen der «Kammer unabhängiger Bauherrenberater» an. Die Kammer gehört zum Schweizerischen Verband der Immobilienwirtschaft (SVIT).

Bausubstanz prüfen: Der Bauexperten Verband Schweiz ist eine mögliche Anlaufstelle, um Fachleute bzw. Baugutachter*innen für eine Bausubstanz-Prüfung zu finden. Auch Architekt*innen können in der Regel die Bausubstanz beurteilen. 

Fördergelder: Die Förderbeiträge musst du immer vor Baubeginn beantragen. Eine Übersicht der kantonalen Förderprogramme findest du auf diesen Websites:

Gebäudeprogramm: In der Schweiz werden energetische Sanierungen über das staatliche Gebäudeprogramm gefördert. Eine Voraussetzung für Fördergelder ist oft ein GEAK. 

Sanierungsfahrplan: Es gilt, aufgrund vorhandener Eckdaten zur Lebensdauer der einzelnen Bauteile einen idealen Sanierungsfahrplan zu erstellen. Er optimiert das Verhältnis von Kosten und Kapitaleinsatz und Werterhaltung bzw. Wertsteigerung.

Steuern: Abzüge von energiesparenden und umweltschützenden Investitionen können auf maximal drei Steuerjahre verteilt werden. Rückbaukosten von nicht sanierten Gebäuden sind steuerlich abzugsfähig, sofern ein energieschonender Neubau entsteht.