Immobilie: Was passiert nach einer Scheidung?

14.04.2021

Wenn ein Paar getrennte Wege geht, sind schwierige Fragen zu regeln. Wer bekommt das Sorgerecht für die Kinder? Nach welchem Verteilschlüssel ist das Vermögen aufzuteilen? Da Immobilien heute sehr viel wert sind, gilt noch etwas anderes als besonders heikel: Die faire Aufteilung von gemeinsamem Immobilienbesitz.

Jürg Zulliger

Zu einer Scheidung kommt es statistisch gesehen häufiger als viele Leute denken. Rund 40 Prozent aller Ehe- und Konkubinatspartner gehen später wieder getrennte Wege. Da helfen auch gut gemeinte Redensarten wie «die Hoffnung stirbt zuletzt» nicht weiter. Denn es sind natürlich Emotionen, die die Abläufe bestimmen.

Zu den häufigsten Stolperfallen gehört die Illusion, das Ganze schon wieder «kitten» zu können und zu meinen, die Ehe lasse sich wieder herstellen. Oder die Leute verdrängen, dass eines Tages Rechts- und finanzielle Fragen aufs Tapet kommen. Genauso falsch wäre es andersherum, die Scheidung quasi von heute auf morgen durchzuziehen. In hohem Tempo, quasi ähnlich wie eine Blitzheirat in Las Vegas. Bloss wäre es eben eine Blitzscheidung.

Was ist Errungenschaftsbeteiligung?

Ehepaare haben die Wahl zwischen Gütergemeinschaft, Gütertrennung oder drittens der Errungenschaftsbeteiligung. Schauen wir uns der Einfachheit halber die Errungenschaftsbeteiligung an. In der Schweiz gilt dies als die häufigste Güterstandsregelung bei verheirateten Paaren.

Bei einer Scheidung kommt es zu einer güterrechtlichen Auseinandersetzung. Das heisst, das Vermögen beider Partner wird in Errungenschaft und in Eigengut aufgeteilt. Zur Errungenschaft gehört alles, was die Partner während der gemeinsamen Ehejahre erworben bzw. «erarbeitet» haben. Darunter fallen vor allem die Einkünfte aus Erwerbsarbeit oder Leistungen von Sozialversicherungen (AHV, BVG, ALV etc.). Zum Eigengut zählt alles, was einem Partner schon vor der Heirat gehört hat. Hinzu kommen Erbschaften oder Schenkungen während der Ehe. Etwas vereinfacht: Im Fall einer Scheidung hat jeder Ehepartner in der Regel Anspruch auf das jeweilige Eigengut und auf die Hälfte der gemeinsamen Errungenschaft.

Entscheidend ist nun, was mit dem Haus oder mit der gemeinsamen Wohnung geschieht. In vielen Fällen stellt Wohneigentum den grössten Posten des gemeinsamen Vermögens dar. Möglicherweise können sich die beiden Partner auf einen gewissen Verteilschlüssel einigen. Oft läuft es aber darauf hinaus, dass die Liegenschaft zum aktuellen Verkehrswert zwischen den beiden Partnern aufgeteilt wird. Das setzt allerdings voraus, dass beide als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen sind, was bei einer Errungenschaftsbeteiligung durchaus üblich ist. Nun hat jeder Anrecht auf denjenigen Anteil, den er beim Kauf der Liegenschaft eingebracht hat (Eigenkapital). Das übrige Vermögen aus der Errungenschaft wird halbiert.

Scheidung: Was ist das Haus wirklich wert?

Als besonders anspruchsvoll gilt im heutigen Umfeld die faire Verkehrswertschätzung. Verkehrs- oder Marktwert heisst: Welcher Erlös könnte bei einem Verkauf erzielt werden? Zieht das Paar einen unabhängigen Schätzer bei, trägt dieser eine grosse Verantwortung. Schätzt er die Liegenschaft zum Beispiel 100'000 oder 200’000 Franken zu tief ein, würde der eine der beiden Partner benachteiligt (derjenige, der Cash ausbezahlt wird).

Um das Miteigentum aufzulösen, sind in der Regel zwei Varianten im Vordergrund:

  • Der eine Partner übernimmt die Liegenschaft und zahlt den anderen aus. Der Verteilschlüssel (das dokumentierte Eigengut und die Hälfte der Errungenschaft) ist ähnlich wie bei einer Erbengemeinschaft.
  • Bei Scheidungen liegt der Fall heute öfters so, dass die Liegenschaft verkauft und der Erlös aufgeteilt werden muss – ganz einfach aus finanziellen Gründen. Oft ist ein Partner allein nicht in der Lage, sämtliche Kosten für das Haus, für die Hypothekarzinsen, Nebenkosten und Amortisationen zu tragen. Wird die Liegenschaft von bisher zwei Miteigentümern auf einen Partner überschrieben, muss die Bank ausdrücklich damit einverstanden sein. Sie prüft auch, ob alle Richtlinien wie finanzielle Tragbarkeit des Kredits nachgewiesen sind.

Tipp: Wird es finanziell eng, sollten Sie prüfen, ob Sie PK-Geld als Finanzierungshilfe einsetzen könnten. Oder Sie fragen in der Verwandtschaft nach einer Schenkung oder einem Erbvorbezug!

Florian Schubiger von Vermögenspartner AG in Zürich sagt dazu: «Nach meiner Erfahrung lassen sich Rechtsanwälte und Gerichte stark davon leiten, was dem Wohl der Kinder am meisten dienen würde. Sinn und Zweck einer Scheidungskonvention oder eines Scheidungsurteils wäre dann, dass die Kinder die Adresse am Familienwohnsitz behalten und der eine Partner das Haus übernimmt.»

Die Online-Immobilienbewertung von Homegate gibt dir einen Richtwert für den Verkaufspreis deines Eigenheims.

Scheidung: Für alles vorsorgen?

Um Konflikten um «das liebe Geld» vorzubeugen, empfehlen viele Experten, fortwährend über eingebrachte Eigenmittel und die Verteilung der laufenden Liegenschaftskosten Buch zu führen. Das mag in der Theorie natürlich einleuchten. Denn ein Inventar und eine detaillierte Buchhaltung können sich im Nachhinein als zentrale Dokumente und Beweismittel erweisen. Nur ist es in der Lebenspraxis oft anders, und viele Konkubinats- oder Ehepaare halten Konsumausgaben, Gebäudeunterhalt oder kleinere Renovationsarbeiten nicht im Detail fest. Doch im Minimum ist es sicher eine grosse Hilfe, wenn Paare zumindest die Herkunft von eigenen finanziellen Mitteln aus dem Eigengut schriftlich dokumentieren. Nehmen wir ein Beispiel: Hat der eine Partner den Erwerb des gemeinsamen Wohneigentums zu 100 Prozent durch eine Schenkung seiner Familie überhaupt erst möglich gemacht, wird er sich diesen Anteil anrechnen lassen wollen.

Ein anderes Mittel, für alle Fälle vorzusorgen oder gewisse Spielregeln aufzustellen, sind Ehe- und Konkubinatsverträge. Dabei ist es üblich, dass die Finanzierung und die Eigentumsregelungen von Immobilien schriftlich festgelegt werden.