Muss ich vorbezogene PK-Mittel zurückzahlen?

23.04.2021

Die Preise für Eigenheime sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Viele Leute sind darauf angewiesen, eine «Finanzspritze» aus der Pensionskasse zu beanspruchen. Doch in aller Regel lohnt es sich, die bezogenen PK-Gelder zurückzuzahlen. Wir zeigen Ihnen, was zu beachten ist.

Jürg Zulliger

Wegen hoher Preise sind Eigenheime für viele Normalverdiener fast unbezahlbar geworden. Eine hohe Hürde stellt das nötige Eigenkapital dar: Die Banken verlangen bei der Finanzierung einen Anteil von 20 Prozent eigenen Mitteln. Doch seit 1995 dürfen Sie Gelder Ihrer Pensionskasse beziehen – als willkommener Beitrag zur Finanzierung und als anrechenbares Eigenkapital (maximal die Hälfte des Eigenkapitals, siehe Checkliste unten).

Einige Zahlen der Eidgenössischen Steuerverwaltung klingen alarmierend: Zwar werden jedes Jahr Beträge von über 1 Milliarde Franken zwecks Wohneigentum als Vorbezüge beansprucht. Doch die Rückzahlungen erfolgen nur sehr spärlich. Läuft es also darauf hinaus, dass viele Leute ihr Altersguthaben «plündern», wie die Presse schon warnte?

Die Vorsorge analysieren

Florian Schubiger, Finanzierungs- und Vorsorgeexperte bei Vermögenspartner in Zürich, sagt dazu: «Entscheidend ist vor allem, dass sich die Leute über die entstandene Vorsorgelücke im Klaren sind.» Am besten erkundigen Sie sich bei Ihrer Pensionskasse oder studieren Ihren Pensionskassenausweis. Wichtig ist vor allem, inwiefern Ihre spätere Altersrente geschmälert werden könnte. Möglicherweise bestehen sogar Versicherungslücken im Risikoteil Ihrer Vorsorge (Invalidität, Todesfall).

«Wie genau die Lücken zu schliessen sind, muss jeder Versicherte individuell entscheiden», so Florian Schubiger. Grundsätzlich stehen mehrere Möglichkeiten offen:

  • Rückzahlung der Vorbezüge in die Pensionskasse. Die Steuern, die Sie beim Bezug bezahlt haben, können Sie dabei zurückfordern (allerdings ohne Zinsen).
  • Sie erhöhen Ihre Beiträge in die Säule 3a (quasi als «private» Säule Ihrer Altersvorsorge).
  • Sie bilden privat finanzielle Reserven und legen Ihr Kapital längerfristig an.
  • Sie leisten Amortisationen, um die Verschuldungsquote durch Hypotheken zu senken.

Vier Argumente für Rückzahlungen

  • Nur wenn Sie die Lücke in Ihrer Pensionskasse wieder schliessen, kommen Sie bei der Pensionierung auf eine volle PK-Altersrente.
  • Bedenken Sie, dass der fehlende Betrag in Ihrer Altersvorsorge jedes Jahr etwas grösser wird (wegen des Zins- und Zinseszinseffekts). Der aktuelle Mindestzins im BVG liegt zwar nur bei 1 Prozent; dennoch machen die entgangenen Zinsen im Lauf der Jahre einiges aus.
  • Manche Leute denken, dass sie mit eigenen Kapitalanlagen ihr Geld sicherer und ertragreicher anlegen können. In Einzelfällen mag das durchaus realistisch sein, etwa wenn sich eine Privatperson mit Aktien und anderen Anlagen gut auskennt. Doch Private dürften im aktuellen Tiefzinsumfeld wie alle anderen Mühe haben, eine halbwegs sichere und zinstragende Anlage zu finden.
  • Pensionierung: Viele Leute wollen natürlich über das Pensionierungsalter hinaus das Leben in den eigenen vier Wänden geniessen. Um bei den Banken weiterhin als kreditwürdig eingestuft zu werden, ist die Höhe der Altersrente (AHV und BVG) wichtig. Ein allzu tiefes Einkommen als Folge von Lücken in der Pensionskasse kann dabei unangenehm werden.

Für die Phase nach der Pensionierung haben Wohneigentümer grundsätzlich zwei Optionen offen, wie Experte Florian Schubiger erläutert: «Entweder achtet man darauf, später auf eine volle Altersrente zu kommen. Oder man entschliesst sich als Eigentümer, freie Mittel zur Schuldentilgung einzusetzen.» Denn wer zum Beispiel auf die Pensionierung hin die Höhe der Hypotheken deutlich reduziert, wird auch nach der Pensionierung günstig fahren. So wird auch die Zinslast dauerhaft tiefer ausfallen.

Angesichts der Schlagzeilen rund um die Altersrenten und sinkende Umwandlungssätze macht sich eine gewisse Verunsicherung breit. «Reichen die künftigen Altersrenten überhaupt zum Leben», fragen sich viele Leute.

Blick in die Zukunft: Reicht die Rente?

Vor einem Entscheid über Rückzahlungen oder Alternativen dazu lohnt sich ein Blick in die Unterlagen Ihrer Pensionskasse. Wie hoch ist das Leistungsniveau Ihrer Kasse? (voraussichtliche Höhe der Renten, Rentenumwandlungssätze zum Beispiel 6 Prozent oder weniger?). Die Höhe des Umwandlungssatzes legt fest, welche Rente aus einem bestimmten Alterskapital in der PK ausbezahlt wird.

Als wichtige Kennzahl gilt auch der so genannte Deckungsgrad: Diese Zahl zeigt auf, in welchem Mass die laufenden Rentenversprechen durch Kapital gedeckt sind. Als gut gilt zum Beispiel ein Deckungsgrad von 110 oder 115 Prozent.

Fazit: Wenn Sie Ihre Finanzen, die Hypotheken und auch die persönliche Vorsorge gut planen, werden Sie das Wohnen längerfristig sorgenfrei geniessen.

Die wichtigsten Merkpunkte zu PK-Vorbezügen

  • Gesetzlich zulässig ist die Verwendung für selbst genutztes Wohneigentum: Kauf und Bau, Amortisation von Hypotheken, Renovationen und wertvermehrende Investitionen, neue Wärmepumpe etc. Keine PK-Bezüge gibt es für Zweit- oder Ferienwohnungen.
  • Es besteht keine allgemeine Rückzahlungspflicht. Nur in ganz bestimmten Fällen, etwa beim Verkauf des Objekts, müssen die Bezüge zurückerstattet werden.
  • Mit dem Bezug werden Steuern fällig, die nicht mit dem Vorsorgegeld bezahlt werden dürfen.
  • Bezüge sind alle fünf Jahre möglich. Mindestbetrag: 20’000 Franken.
  • Die meisten Pensionskassen haben entsprechende Gesuchsformulare und Merkblätter. Am besten erkundigen Sie sich im Voraus, welche Fristen bis zur Auszahlung gelten, welche Unterlagen Sie einreichen müssen, welche Vorsorgelücke entsteht etc.
  • Solange vorbezogene Gelder nicht zurückerstattet wurden, sind spätere Einkäufe in die Pensionskasse (die steuerlich abziehbar sind) nicht mehr erlaubt. Schon allein deswegen lohnt sich eine planmässige Rückführung von PK-Geldern.
  • Seit 2012 müssen Eigenheimkäufer mindestens 10 Prozent «echte» Eigenmittel, d.h. sonstige Ersparnisse ausserhalb der PK, einbringen. Einzelne Banken sind noch strenger und verlangen, dass die ersten 20 Prozent Eigenkapital nicht der PK entnommen werden dürfen.

Wie oben gezeigt, sind mit PK-Bezügen Nachteile verbunden. Wenn Sie Wohneigentümer werden wollen: Alle anderen Finanzquellen sollten für Sie Priorität haben (Sparguthaben, Wertschriften, Säule 3a etc.). Oder ziehen Sie die Variante einer Verpfändung statt PK-Vorbezug in Betracht. Ihre PK kann Sie dazu beraten.