Miete anfechten - das sind deine Rechte

01.04.2021

Bei einem Mieter*innenwechel blühen den neuen Bewohner*innen oft happige Aufschläge. Als Mieter*in bist du dieser Preisspirale aber nicht hilflos ausgeliefert. Wir zeigen dir, wie du dich gegen missbräuchliche Mietzinserhöhungen wehren kannst.

Jürg Zulliger

Aufgrund der Wohnungsknappheit und generell hohen Mieten in den Städten taucht das Thema "Miete anfechten" immer öfter auf. Ein Mieter in der Stadt Bern schildert seine Erfahrungen: "Der Vermieter hat meine frühere Wohnung 24 Prozent teurer vermietet. Die einzige Verbesserung war der Ersatz des alten Spannteppichs durch einen Laminatboden!". Oder ein Beispiel von einer Mieterin aus Zürich: Sie bekam kurzfristig eine attraktive Praktikumsstelle in Zürich-Nord angeboten. Da sie nur wenig Zeit für die Wohnungssuche hat, besichtigt sie nach kurzer Zeit eine kleine 2.5-Zimmer-Wohnung in einem Wohnquartier. "1800 Franken für einen Altbau mit Sicht auf eine Blechlawine vor dem Haus sind ein stolzer Preis", wundert sie sich. Der Preis ist viel zu hoch, eine Lösung muss trotzdem rasch her.

Führen hohe Mieten und Mietzinsaufschläge dazu, dass die Verwaltungen und Vermieter*innen ungerechtfertigte Gewinne einstreichen? Das Thema wird heiss diskutiert. Fabian Gloor, Jurist beim Mieterinnen- und Mieterverband, sagt dazu: "Die Fragen rund um missbräuchliche Mieten sind höchst komplex. Blosse Zahlen verraten gar nichts darüber, ob die Vermieter*innen einen zu hohen, gesetzlich nicht zulässigen Ertrag erzielen.

Wie wird die Miete festgelegt?

Vereinfacht gesagt existieren gemäss Mietrecht drei Varianten um die Wohnungsmiete festzulegen:

  • Der Nettoertrag der Liegenschaft darf höchstens 0.5 Prozent über dem aktuellen Referenzzins für Hypotheken liegen (2022: 1.25 Prozent). Aktuell sind also bis zu 1.75 Prozent Nettorendite erlaubt. Dies ist die gängigste Methode. Es ist aber schwierig, die korrekte Rechnung herzuleiten.
  • Bei Neubauten (nicht älter als 10 Jahre) zählt die Bruttorendite. Diese darf höchstens 2 Prozent über dem aktuellen Referenzzins für Hypotheken liegen (Referenzzins 2022: 1.25 Prozent).
  • Bei älteren Häusern ist die Orts- und Quartierüblichkeit ein zentrales Kriterium. Dazu braucht es mindestens fünf vergleichbare Wohnungen (Grösse, Alter, Standard), die aber alle von verschiedenen Vermieter*innen sein müssen. Anhand des Durchschnitts der jeweiligen Mieten wird beurteilt, ob sich der Mietzins im Rahmen befindet.

Auch wenn die Berechnungen in der Theorie simpel wirken, ist die Anwendung in der Realität vor allem für Laien schwierig. Im Ernstfall helfen dir unsere wichtigsten Merkpunkte weiter.

Anfangsmiete anfechten: Merkpunkte

Du willst deine Miete anfechten? Wir haben dir sieben zentrale Merkpunkte dazu zusammengetragen.

  1. Legitimation: Du kannst die Miete nur anfechten, wenn du auch einen Mietvertrag unterschrieben hast. Die Anfangsmiete kann 30 Tage lang nach der Schlüsselübergabe angefochten werden. Dazu musst du dich an die örtliche Schlichtungsstelle wenden.
  2. Voraussetzungen: Bei den meisten Verträgen ist es möglich, die Miete anzufechten. Es gibt aber einige Ausnahmen: Einfamilienhäuser und Wohnungen mit mehr als sechs Wohnräumen, mit luxuriösem Ausbau und im tadellosen Zustand fallen nicht unter die Missbrauchsgesetzgebung.
  3. Notlage: Es muss mindestens ein wichtiger Grund dafür vorliegen. Es kommen folgende drei in Frage:
    1. In der Region herrscht eine Wohnungsnot.
    2. Du wurdest aufgrund einer persönlichen Notlage dazu gezwungen, den Mietvertrag zu unterschreiben.
    3. Die neue Miete ist erheblich höher als die des Vormieters, ohne dass das Mietobjekt saniert wurde.
  4. Formalitäten: Du musst die Anfechtung per eingeschriebener Post an die örtliche Schlichtungsstelle senden. Wenn mehrere Personen Vertragspartner sind, müssen alle unterschreiben.
  5. Auskunftspflicht der Vermieter*innen: Als Neumieter*in hast du das Recht darauf zu erfahren, wie viel dein*e Vormieter*in für das Mietobjekt bezahlt hat. In Kantonen mit Wohnungsknappheit müssen Vermieter*innen den Mietzins auf einem Formular offenlegen.
  6. Beweispflicht: Du bist als Mieter*in bei der Anfechtung beweispflichtig. Im Gegenzug ist die Vermieterschaft dazu verpflichtet, Zugang zu allen relevanten Informationen zu gewähren.
  7. Prozessrisiko: Die Verhandlung bei der Schlichtungsstelle ist noch kostenlos. Geht der Fall vor Gericht, kann es jedoch sehr schnell teuer werden. Lass dich am besten juristisch beraten und deine Erfolgschancen realistisch beurteilen.

Miete anfechten: Pro und Contra

Wenn du als Mieter oder Mieterin die Miete anfechten willst, gilt es noch mehr zu berücksichtigen als die juristischen Fakten. Die Vermieter*innen werden sich niemals über eine solche Anfechtung freuen. Unter anderem auch, weil du zuvor einen Mietvertrag unterschrieben hast. 

Die Anfechtung der Anfangsmiete ist aber an sich ein gesetzlich verankertes Recht. Während solche Anfechtungen in der Romandie – speziell im Raum Genf – öfter vorkommen, stellen sie in der Deutschschweiz eher eine Ausnahme dar. "Es kommt auch auf die Umstände an", sagt Jurist Fabian Gloor. Bei einer grossen anonymen Verwaltung sei “die Hemmschwelle wohl tiefer als in einem Privathaus”, wo der Vermieter selbst Nachbar im Haus ist.

Mietrecht: Was läuft in der Politik?

Die Mietpreise haben sich auf nationaler Ebene deutlich erhöht. Vergleicht man den Juli 2022 mit den Mietpreisen vor zwölf Jahren sind diese um 11.4 Prozent gestiegen. Dies gemäss dem offiziellen Mietindex des Bundes. Die Entwicklung schockiert, vorallem da Hausbesitzer*innen in den letzten Jahren von äusserst tiefen Hypothekarzinsen profitiert haben. Wir erinnern uns: Eigentlich hätten auch Mieter*innen davon profitieren sollen. Denn der maximale Ertrag wird vom Verhältnis zwischen Hypothekarzins und Nettoertrag festgeschrieben.

Der Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz hat im National- und Ständerat zwei Vorstösse zum Mieterschutz eingereicht. Diese sollen sicherstellen, dass die Mieten in Zukunft im gesetzlichen Rahmen liegen. Der eigentliche Fokus im Kampf um einen tieferen Mietzins liegt aber vermehrt auf der Regionalpolitik. In Basel-Stadt, Genf und Waadt gibt es Vorlagen, die Mieter*innen schützen. Erste Aktivitäten werden bereits in den Städten Bern, Luzern und Zürich verzeichnet.

Die Miete anfechten: Wollen Sie wissen, was in dieser wichtigen Frage politisch geht? Hier der Link zur Website des Parlaments:

Mietrecht im Nationalrat, Sommer 2019