Streit mit den Nachbarn – was tun?

Streit mit den Nachbarn – was tun?

26.04.2021

Kläffende Hunde, lautes Kindergeschrei oder eine dröhnende Party bis in die frühen Morgenstunden? Bei einem Nachbarschaftsstreit ist guter Rat oft teuer. Wir erklären dir die Rechtslage und zeigen einige Fälle aus der Praxis.

Toleranz im Haus: Die Grenzen sind fliessend

Jeder Mieter und jede Mieterin hat das Recht, die eigene Wohnung zu gebrauchen. Das heisst zum Beispiel: wohnen, kochen und essen, Gäste empfangen, Geburtstag feiern, Musik hören, basteln, baden und so weiter. Wann erreicht dieses Recht jedoch eine Grenze, falls ein Nachbar oder eine Nachbarin sich gestört fühlt?

Ob Hundegebell oder Kindergeschrei, was als «übermässig» und damit als störend gilt, ist Auslegungssache. «Das hängt immer von den konkreten Umständen und vom einzelnen Haus ab», sagt Fabian Gloor, Jurist beim Mieterinnen-und Mieterverband.

Auf dem Land sind bellende Hunde eher zu tolerieren als in einer städtischen Siedlung, wo viele Leute auf engem Raum zusammenleben. Wenn du in einem Altbau wohnst, solltest du nicht allzu empfindlich sein, wenn die Wohnung ringhörig ist. «In einem Mehrfamilienhaus ist es schlicht unmöglich, dass man gar nichts von seinen Nachbarn mitbekommt», meint Fabian Gloor.

Beispiel: Duschen am frühen Morgen

Nehmen wir als Beispiel eine fiktive Mieterin namens Verena: Sie arbeitet im Schichtbetrieb in einem Spital und muss deswegen täglich das Bad bereits um 05:30 Uhr benutzen. Wenn sich die Nachbarn daran stören, ist dies eine Auslegungssache. Nach gesundem Menschenverstand muss man mit dem Duschen im Morgengrauen leben können. Das gehört zum Wohnalltag dazu und Verena kann darauf nicht einfach verzichten. Die Hausordnung darf auch keine Dusch- und Badezeiten vorschreiben. Eine solche Einschränkung wäre rechtlich nicht verbindlich.

Nachbarschaftsstreit: Rechtliche Vorgaben

Was steht im Mietrecht zum Thema Nachbarschaftsstreit?

  • Das Mietrecht verlangt von Mieterinnen und Mietern zwingend Sorgfalt und gegenseitige Rücksichtnahme. Die Mieterschaft muss «auf Hausbewohner und Nachbarn Rücksicht nehmen». (Obligationenrecht OR Artikel 257f.)
  • Weitere Spielregeln können in der Hausordnung festgehalten werden. Diese gilt, wenn sie einen Bestandteil des Mietvertrags darstellt, also dem Mieter oder der Mieterin beim Abschluss des Mietvertrags übergeben wurde.
  • Je nach Gemeinde unterscheiden sich die Polizeiverordnungen, in welchen detailliert beschrieben wird, wann welcher Lärm erlaubt ist und wann er als Störung gilt. In der Schweiz ist es üblich, dass ab 22 Uhr die Nachtruhe einzuhalten ist. Gespräche und Musik sind ab der festgelegten Uhrzeit auf  «Zimmerlautstärke» anzupassen. Mehr Infos findest du in unserem Artikel zu Nachtruhe in der Schweiz

Wie ist in einem Streitfall vorzugehen? Ein guter Weg ist das direkte Gespräch mit dem Nachbarn oder der Nachbarin. Vielleicht kannst du so das Problem aus der Welt schaffen. Vieles fällt im Wohnalltag leichter, wenn die Leute miteinander sprechen, sich informieren und sich gegenseitig respektieren. Auch wenn du Überwindung brauchst, um deine Mitmenschen direkt anzusprechen, wird eine vernünftig und sachlich vorgebrachte Beschwerde den Leuten nicht sofort in den falschen Hals geraten.

Die Verwaltung einschalten

Wenn der Konflikt trotz gutem Willen und Toleranz eskaliert, ist der nächste Schritt die Reklamation bei der Verwaltung. Wende dich per eingeschriebener Post an die Verwaltung und erkläre die Situation. Die Verwaltung wird versuchen, zu vermitteln oder die Störungen zu beheben. Aber auch dein* Vermieter*in muss sich an den üblichen Ruhezeiten, den gesetzlichen Spielregeln, der Polizeiverordnung und der Hausordnung orientieren.

Zwei Varianten von Nachbarschaftsstreit

Rechtlich gesehen gibt es zwei verschiedene Varianten: Wenn du dich als Mieter*in im Haus durch Nachbar*innen gestöhrt fühlst, wirst du dich in den meisten Fällen auf eine mietrechtliche Grundlage abstützen. Die übermässigen Lärmemissionen (oder anderweitige Störungen) sind als Mangel zu betrachten. Als Mieter*in kannst du die Behebung des Mangels verlangen und als Druckmittel gegenüber dem Vermieter oder der Vermieterin eine Mietzinsreduktion fordern.

Wenn die Störquelle nicht im gleichen Haus zu finden ist, sondern zum Beispiel in einem Club nebenan, ändern sich die Spielregeln leicht: Der Hauseigentümer oder die Hauseigentümerin muss im Rahmen des Nachbarrechts reklamieren und sich für die Einhaltung der Ruhezeiten einsetzen (ZGB Artikel 684f.). In einer ersten Instanz sind die lokalen Schlichtungsstellen zuständig. Diese Verfahren sind für dich als Mieter*in kostenlos. «Mit einem professionellen Vorgehen und Fachwissen, auch über Mediation, gelingt es Schlichtungsstellen oft, eine gütliche Einigung zu finden», sagt Fabian Gloor.

Ein Rechtsfall aus der Praxis: Der Chaos-Mieter von Basel

Im Extremfall kann es sogar zu einer Kündigung kommen. Dafür müssen aber viele Anforderungen erfüllt und alle formellen Schritte sorgfältig abgewogen werden. In Basel hat zum Beispiel zuerst die zuständige lokale Schlichtungsstelle und als nächste Instanz auch ein Gericht die Kündigung gegenüber einem bockigen Mieter rechtlich gestützt. Dieser Nachbarschaftsstreit war aber wirklich gravierend: Der betreffende Mieter feierte jedes Wochenende grosse Gelage mit zahlreichen betrunkenen Gästen. Die Abfälle und den Unrat entsorgte er über Monate nicht. Die Nachbarn beklagten sich über längere Zeit über die laute Musik im Haus und den fürchterlichen Gestank. Direkte Gespräche und Reklamationen brachten keine Abhilfe. Im Gegenteil, der betroffene Mieter reagierte aggressiv und bedrohte verschiedene Personen.